Soll man jeden Abend den noch nicht gelobten Tag prüfen, fragte ich mich letztens ohne echte Veranlassung, erinnerte mich aber sogleich, dass nicht unbedeutende Philosophen, vielleicht sogar Weise (ich bin nicht mehr sicher, welche), dringend dazu raten. Ich meine, auch Lebensratgeber tun das, Berufsratgeber sowieso, um die Leser anzuhalten, beständig an sich zu arbeiten. Drei gute Dinge, die ich heute getan habe, drei, die sich noch verbessern lassen – nur die positiven in den Büchern zur Steigerung des Selbstwertgefühls. In manchen mag es auch um, wie so gesagt wird, Selbstwirksamkeit gehen: an den kleinen Dingen erkennen, dass man ja auch etwas beiträgt zum großen Ganzen. Oder: Jeden Tag sich dreimal überwinden – die Schüchternheit, die Nachgiebigkeit, den Schweinehund, das Laster. Dazu einmal täglich etwas machen, was man noch nie gemacht hat. Vor dem Einschlafen dann noch einmal in sich gehen, um auszuschließen, dass man sich selbst getäuscht hat. So macht man sich wahrscheinlich für sich selbst interessanter, und nicht wenige werden darauf hinweisen, so sein gesamtes Leben verändern zu können.
Mir stellte sich abends bislang lediglich die Frage nach dem kommenden Tag, der völlig zu misslingen droht, wenn ich ihn mir nicht, zumindest in groben Zügen, schon einmal vornehme. Im Rückblick, denke ich nun, ist es meist nicht so entscheidend, ob ich alles geschafft habe, was ich wollte, solange die Stimmungen die richtigen waren – und die Richtungen gestimmt haben. Noch einmal umkehren, weil ich etwas habe liegen lassen, kann mich bereits so sehr verstimmen, dass ich das Gefühl habe, von einem Tag eh nichts mehr erwarten zu können. Es ist das Unnütze, das sich nicht auf eine andere Weise als Gewinn erweist, das mir einen Tag vergällen kann, das merkt man vor allem im Urlaub, irgendwann aber auch im sogenannten Alltag. Abends den vergangenen Tag einmal schütteln wie eine Schneekugel und sich freuen, wenn möglichst wenig lose herumtreibt – vielleicht ist das dem Ganzen am gemäßesten.