Die kurze Form fordert die Bereitschaft zur Halbwahrheit. Dabei wird einem an den Universitäten, zumal in den Geisteswissenschaften, doch beigebracht, zu differenzieren. „Aber das kann man so nicht sagen!“, höre ich schon jemanden rufen, die Hand noch nicht einmal erhoben, um dem Seminarleiter zu zeigen, dass er einen Gegenstand auch aus anderen Blickwinkeln zu betrachten in der Lage ist. Ich erinnere mich an meinen eigenen Eifer, den Dingen gerecht zu werden, alles von mehreren Seiten zu beleuchten – bloß nichts unbedacht lassen! Wenn schon „die Wahrheit“, wie man sagen zu müssen glaubte, nicht zu finden ist, dann ihr zumindest nahekommen durch das möglichst umfassende Bild. Um Haltung ging es damals nicht. Wir waren beschäftigt genug damit, den aufzuarbeitenden Sachverhalten in ihrer ganzen Komplexität gerecht zu werden, die wir schließlich auch an uns selbst wahrzunehmen meinten. Eine Halbwahrheit hätte herausgefordert. Mindestens zum ergänzenden Widerspruch. Etwa diese: Das Halbwahre hält nicht aus, wer selbst noch nicht ganz ist.