Zähne zeigen

Im Café im Literaturhaus sitzen am Tisch neben uns zwei Paare um die 60. Eine der Frauen berichtet über ihre Faszination für den Buddhismus, in dem es nicht darum gehe, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen, sondern es anzunehmen. Nicht auf die äußeren Umstände, nur auf die innere Haltung komme es an. Sie erzählt begeistert von einem Kinderbuch, in dem ein Kater völlig damit zufrieden ist, Kater zu sein, und auch nichts anderes sein will.

Die vier sind offensichtlich sehr reich. Die Männer haben ihre Hemden bis zur Brust aufgeknöpft, einer von ihnen erinnert entfernt an Wolfgang Joop. Die Frauen haben die von grauen Strähnen durchsetzten, über die Rundbürste geföhnten Haare und die gealterten, aber gepflegt schimmernden Gesichter gutbürgerlicher Damen. Die vier essen Kuchen, trinken Sekt und sind bester Laune. Ihr Lachen dröhnt zu uns herüber. Es hat etwas jugendlich Ausgelassenes, Mitreißendes, geradezu Überschwängliches.

Es erinnert mich an Alexis Sorbas, der in einer ganz anderen Situation ähnlich klingt: Nachdem die von ihm errichtete Seilbahn des Kohlebergwerks zusammengebrochen und damit die mühevolle Arbeit der letzten Zeit vernichtet ist, schüttelt sich sein großer, grober Körper vor Lachen. Entgegen den Tatsachen nimmt er die Pose des Gewinners ein. Meine Tischnachbarn hingegen stehen, vielleicht schon seit Generationen, tatsächlich auf der Gewinnerseite des Lebens. Während Sorbas ein Kletterer ist, der sich fröhlich fallen lässt, gehören sie zu denen, die ohnehin nie klettern mussten, weil sie schon oben sind. Von dort schauen sie auf die verkrampften Züge der Emporkömmlinge und zeigen ihre Zähne, zur Abschreckung. Wie die genialen Außenseiter haben auch sie klare Sicht auf die Absurdität des Lebens, betrachten sie aber von der anderen Seite.

 

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