Theresa Schouwink

Kants Erben

Vor der Arztpraxis wartet ein dicker Mann im Anzug, in der Hand eine Aktentasche. Alles an ihm strahlt missmutige Anspannung und die Bereitschaft aus, einem beliebigen anderen dafür die Schuld zu geben. Als sein Handy klingelt und er abhebt, richtet er sich auf und fordert den Anrufenden in professionellem Tonfall auf, ihn in zwei Stunden […]

Kants Erben Read More »

Ehrgeiz und Erlösung

Die Luft in der Wohnung war abgestanden und das Licht durch die dunklen Vorhänge dämmrig. Felix hatte mir einen Besuch bei Norma mit den Worten empfohlen, wir würden uns gut verstehen.  Norma verbrachte seit vier Jahren die meiste Zeit lethargisch in ihrem Schwingstuhl. Sie war Schriftstellerin und hatte vor vier Jahren einen Roman geschrieben, der

Ehrgeiz und Erlösung Read More »

Zähne zeigen

Im Café im Literaturhaus sitzen am Tisch neben uns zwei Paare um die 60. Eine der Frauen berichtet über ihre Faszination für den Buddhismus, in dem es nicht darum gehe, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen, sondern es anzunehmen. Nicht auf die äußeren Umstände, nur auf die innere Haltung komme es an. Sie erzählt begeistert von

Zähne zeigen Read More »

Berlin, Winter 2012 (3/3)

Auf einen Zettel schrieb ich mir Ideen zum Glücklich-werden zusammen: Durch Selbstkontrolle und indem man sich gehen lässt, durch Einfach-man-selbst-Sein und durch Das-Beste-aus-sich-Machen, durch Kontemplation, Bescheidenheit, Altruismus, Arbeit, Sex, Egoismus, Aufarbeitung der Vergangenheit, Vergessen der Vergangenheit, keine Erwartungen haben, Sich-klare-Ziele-Stecken, Neue Erfahrungen, So-tun-als-ob-man-glücklich-Wäre, Sich-sagen-dass-man-glücklich-Ist, Das-Glück-in-den-kleinen-Dingen-suchen, Nichts-für-unmöglich-Halten, Selbstvergessenheit, Beziehung beenden oder anfangen, Aufhören-zu-Denken, Anders-Denken, Nichts-auf-die-Meinung-der-anderen-Geben, Sich-einfach-mal-Einlassen,

Berlin, Winter 2012 (3/3) Read More »

Kinder Gottes

In der geräumigen, schwach ausgeleuchteten Wohnung fand die Geburtstagsfeier von Julia statt. Die Kinder spielten Räuber und Gendarm und rannten durch den gewundenen Gang und die zahlreichen holzvertäfelten Räume. Ich saß auf einem schwarzen Ledersessel im Wohnzimmer, vordergründig in ein Buch vertieft und hörte ihr Lachen und Schreien. Wie alle fremden Kinder, die sich in

Kinder Gottes Read More »

Die guten Gegner

Im Schulsport sollten wir Bockspringen. Das war unter den pubertierenden Mädchen nicht beliebt, viele trauten sich nicht recht, bremsten ab, blieben hängen. Am Tag der Notengebung ging es im Probelauf genauso. Als wir aber geprüft wurden, sprang ein Mädchen nach dem anderen mühelos hinüber, als hätte sich die Gruppe plötzlich darauf geeinigt, dass dies eine

Die guten Gegner Read More »

9 Strategien gegen Arbeits- und Motivationsstörungen

Versklave Dich selbst. Du wirst die Freuden des Sklavenhalterdaseins kennenlernen. Wenn Du Dich deshalb schuldig fühlst, kannst Du Dich mit noch mehr mühevoller Arbeit bestrafen.   Erkläre Dich zu Gott: Dein Werk ist die Essenz dieses Werks, die Essenz des Essays, die Essenz des Kuchens, die Essenz der Excel-Tabelle: Stell Dir eine Weltordnung vor, in

9 Strategien gegen Arbeits- und Motivationsstörungen Read More »

Vermischtes

Ich möchte gerne morgens vor mir aufstehen, dann könnte ich ein paar Stunden von mir unbehelligt meine Arbeit tun, und den Rest des Tages würde ich mich zum Spazieren ausführen, mich unterhalten, mich füttern usw. Frühjahrszeit ist Kopfschmerzzeit. Die Dinge passen nicht zusammen: Das Sonnenlicht und die Kälte, das aufbrechende Leben und die eingerosteten Glieder

Vermischtes Read More »

Ungefiltert

Erschöpft und aufgedreht von der durchtanzten Nacht, herrlich ungewaschen, liege ich im Morgenlicht auf der Matratze am Boden meines Zimmers im vierten Stock. Solchermaßen liegend schaue ich aus dem geöffneten Fenster. Das graue Haus von gegenüber, in dessen Fenstern man fortwährend das Fernsehprogramm der Bewohner verfolgen kann und dessen Balkon blickdicht mit Sonnenschirmen verstellt ist,

Ungefiltert Read More »

Zu Robert Walsers „Der Gehülfe“

Manche Menschen haben ihr Leben lang das Gefühl, Schüler, Angestellte, Untergebene zu sein. Das sind nicht die wesensmäßig Gehorchenden und Erfüllenden, denn die gehen auf in dieser Seinsart und bemerken sie nicht. Die sich immer als Schüler Fühlenden sind die, die sich in der Anwesenheit von Autoritäten (und Geliebten) ihrer Bewegungen und Sprechweise allzu bewusst

Zu Robert Walsers „Der Gehülfe“ Read More »

Verortungen

Wie vorgeschrieben befinden wir uns die meiste Zeit in unserer Wohnung. Genauer gesagt in deren Küche, in einem der zwei Schwingsessel, die an gegenüberliegenden Wänden in der Nähe des Fensters stehen. Über dem einen hängt ein Stillleben von Cézanne, über dem anderen ein Kalender von Gabriele Münter. Die Heizung ist auf fünf gedreht, die Therme

Verortungen Read More »