Die Wörter, die Wörter, die Wörter

Das Kind will mit neuen Texten gefüttert werden, als ob man immer etwas zu sagen hätte. Vier Wochen Schweigen hier, vielleicht mehr – ich weiß es gar nicht. Es nimmt dem Kind die Macht – soll es doch schreien, es wird wieder aufhören. Hat es auch. Jetzt ist es still und man kann wieder etwas sagen, auch über das Sagen und das Reden selbst. Totale Überbewertung des Gesprochenen und Geschriebenen. Gerade bei denen, die „Milieu“ sagen, um nicht „Klasse“ sagen zu müssen. Die dem Wort eine Bedeutung geben, wie es nur die Kinder tun: „Der hat aber gesagt …!“ Die die Taten durchs Bewerten, Ernennen, Belehren, Bewerben, Bezeichnen ersetzt haben und zu dem wenigen noch übrig gebliebenen Handfesten „Bespielen“ sagen. Hundert Jahre „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ – und alles, scheint es, ist seither zur Sprache geworden. Tun und Handeln war noch nie so leicht – ein Sätzchen hier, eine Bemerkung da. Das musste schließlich mal gesagt werden! – Als hätte man damit schon alles erreicht. Haben wir das auch mal besprochen! – Und? Wie weiter?

Wo das Sprechen das Handeln ersetzt, ist es auch leicht geworden, zum Täter zu werden. Ein falsches Wort kann einem umgehängt werden wie der Mühlstein vor der Wasserprobe. Aber der hat doch …! – Die echte Tat dagegen ist das, was „sprachlos“ macht, auch wenn selbst das noch ausgesprochen werden will, andernfalls heißt es „betroffen“.

Erstaunlich, dass überhaupt noch irgendwas Bedeutung hat, bei alldem, was gesprochen wird. Als wäre das Leben ein Fußballspiel und das wichtigste daran sind die Kommentatoren. Oder aber: Als dürfe es kein Schweigen geben, weil dann alle betreten wären, man ungeduldig wird, angreifbar, sich die Tabus in den Vordergrund schieben könnten. Besser schnell wieder etwas sagen, ablenken, indem man die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Gleich wird jemand anderes übernehmen, ganz bestimmt.

Es hieß einmal „im Wort stehen“, wir stehen in den Wörtern. Das macht alles Schreiben fragwürdig. Um ernst genommen zu werden, muss es das Ungesagte sagen, muss es das Sprechen entbehrlich machen, muss es ein Schweigen erzeugen oder wieder ein Sprechen mit Worten ermöglichen. Daran hat ein Text sich zu messen.

Der Rest ist Diskurs.

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